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Andrea Engelke

Artist Feature

Every week an artist is featured whose single image was published by Der Greif. The Feature shows the image in the original context of the series.

Sabine von Bassewitz - Trotz und Utopie - die FDJ 20 Jahre nach dem Mauerfall

Jan 18, 2012

allery] Der Eiserne Vorhang ist gefallen, die DDR ist Geschichte, die FDJ existiert noch. Vom Herbst 2009 bis zum Herbst 2010 habe ich ihre verbliebenen und neu hinzugekommenen Mitglieder begleitet. Ich bin im Westen Deutschlands aufgewachsen. Mitte der achtziger Jahre, als ich etwa elf, zwölf Jahre alt war, war meine Mutter in die Republikflucht eines Freundes aus der DDR involviert. Seine Erzählungen von Zwang, Unfreiheit und Unterdrückung haben mich stark beeindruckt und prägen bis heute mein Bild von der DDR. Entsprechend groß war meine Freude, als drei Jahre später die Mauer fiel und ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich im Jahr 2009 erfahren habe, dass es die FDJ noch gibt - mit Mitgliedern in Ost und West. Die FDJ (Freie Deutsche Jugend) wurde in den dreißiger Jahren von jungen Deutschen im Exil als antifaschistische Organisation gegründet und existierte in den ersten Nachkriegsjahren in beiden deutschen Staaten. Im Westen wurde sie 1951 verboten, In der DDR entwickelte sie sich zu einer mächtigen Massenorganisation. Sie definierte sich selbst als »sozialistische Jugendorganisation der DDR« und als »zuverlässiger Helfer und Kampfreserve der Partei der Arbeiterklasse«. Sie war der einzige zugelassene Jugendverband der DDR. Eine Mitgliedschaft war de facto obligatorisch, knapp 85% der Jugendlichen trugen das blaue Hemd der FDJ. Ihre Publikation »Junge Welt« war die auflagenstärkste Tageszeitung in der DDR. In den Wendejahren verließen so gut wie alle Mitglieder die FDJ und ihr Vermögen wurde von der Treuhand eingezogen. Nachdem die SED 1990 zur PDS geworden war, erkannte sie die FDJ nicht mehr als ihren Jugendverband an. Dennoch suchen noch immer Jugendliche und auch Ältere Halt in der FDJ. Es gibt mehr oder weniger organisierte Gruppen im Osten Deutschlands, aber auch in westdeutschen Städten wie Bremen, Frankfurt am Main und München. Über die Anzahl ihrer Mitglieder macht sie keine Angaben, Schätzungen schwanken zwischen deutschlandweit ein paar Dutzend und 200. Viele von ihnen sind um die 20 Jahre alt, haben die DDR also entweder gar nicht oder nicht bewusst erlebt. Andere sind jenseits der 40 und waren auch vor der Wende schon dabei. Unter ihnen sind Hartz-IV-Bezieher und Instrumentenbauer, Maurer und Ärzte. Die FDJ lehnt die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten als »widerrechtliche Annexion des Staatsgebietes der DDR seitens der BRD« ab. Ihr gilt die DDR als das bessere Deutschland, ihr Wunsch ist ein sozialistischer Staat nach ihrem Vorbild. Die FDJ sieht im Kapitalismus die Grundlage eines Imperialismus, der zwangsläufig zu einem Dritten Weltkrieg und zu einer Wiederauferstehung des Faschismus führen wird und möchte ihn daher abschaffen.